Seminar

Symphonische Filmmusik

WS 2001-2002
[Frankfurt-Main, Universität]

Arbeitsplan und Material

1.Einführung
Zu Geschichte und Charakteristik symphonischer Filmmusik
2.Liszt, Rachmaninow und das symphonische Klavierkonzert im Film
Richard Addinsels Warschauer Konzert [Dangerous Moonlight, England 1941]
Bernard Herrmanns Concerto macabre [Hangover Square, USA, England 1945]
The Seven Year Itch, USA 1955
3.Der deutsche Bergfilm
Das Vorbild: Strauss' Alpensymphonie
R.1Die weiße Hölle vom Piz Palü mit Leni Riefenstahl
4.Wagner, Tristan und der Film (I)
R.2Vertigo von Alfred Hitchcock / Bernard Herrmann
5.Wagner, Tristan und der Film (II)
R.3Die Ludwig II-Streifen: Käutner, Visconti
6.Luchino Viscontis musikalische Filmdramaturgie
R.4Mahler, Visconti und der Tod in Venedig
Exkurs: Anton Bruckner und Cesar Franck in Viscontis Filmwerk
7.Propaganda im Vorfeld des Vaterländischen Krieges?
R.5Sergej Prokofjew, Film und Kantate Alexander Newski, Sowjetunion 1938 [Regie: Sergej Eisenstein]
8.Desavouierter Antifaschismus?
R.6The Great Dictator [USA 1940] von und mit Charles Chaplin
Exkurs: Faschistische Ästhetik in der Filmmusik: Leni Riefenstahls Olympia-Filme, Deutschland 1938
9.Erich Wolfgang Korngolds Beitrag zur symphonischen Filmmusik
R.7Deception [USA 1046] und Korngolds Cellokonzert op. 37
10.Korngolds Konzert- und Symphonieschaffen der Vierziger Jahre
Filmmusiken - Anleihen bei eigenen Opern
R.8Das Violinkonzert aus Another Dawn, die Symphonie Fis op. 40 und Anthony Adverse
11.Symphonie als Gattung und ihr Filmbezug
R.9Ralph Vaughan Williams, Scott of the Antarctic [England 1948] und die Sinfonia antarctica
12.John Williams: Filmsymphonik im Science-Fiction-Genre (I)
R.10Gustav Holsts Mars-Kriegsmusik [The Planets] und der Krieg der Sterne
13.John Williams: Filmsymphonik im Science-Fiction-Genre (II)
R.11Avantgarde-Bezug symphonischer Filmmusik: Close Encounters of the Third Kind
14.Mißbrauch der Atonalität? Zur 'Negativität' der Neuen Musik im Film
R.12Fantastic Voyage, USA 1966
Exkurs: Kontakte der Wiener Schule zum Filmgenre
R.13Arnold Schönbergs Begleitmusik zu einer Lichtspielszene
Alban Bergs Lulu und die Integration des Films
15.[Konzertmusik im Film]
The Man who Knew too Much, USA 1956
Soylent Green, Dr. Faustus
16.

 

Beschreibung

Veranstaltungen über Filmmusik zählen zu den eher unbequemen Themen im Bereich der Musikwissenschaft. Denn sie verlangen, kaum weniger als Opernforschung, ein hohes Maß an interdisziplinärer Ausrichtung - nur daß noch die Schwierigkeit hinzutritt, geeignete Kriterien zur Beurteilung des Musikanteils am filmischen Endprodukt zu entwickeln und anzuwenden. Oft aber legen Teile der Musikwissenschaft eine gewisse Scheu an den Tag, sich mit Filmmusik zu beschäftigen - aus Gründen nicht nur der methodologischen Problematik, die ein anderes Denken erfordert, als es in bezug auf die autonome Musik gültig ist, sondern schlicht wegen der Vorbehalte gegenüber der Kopplung von Musik mit Filmhandlungen fragwürdigen Niveaus.

Vielleicht jedoch ist es möglich, an dieser Stelle Brücken zu bauen. Es wäre ohnehin illusorisch, innerhalb nur eines einzigen Seminars jedwede Art von Filmmusik behandeln zu wollen. Nicht einmal dann, wenn die Veranstaltung mit dem Adjektiv 'symphonisch' auf eine bestimmte Art filmischer Musik eingegrenzt wird, ist eine erschöpfende Behandlung möglich. Daher seien folgende Spezifizierungen eingeführt: Behandelt werden soll vor allem Musik, die 1. durch Entlehnung oder Übernahme aus der autonomen Musik in einen filmischen Kontext eingebunden wurde, und 2. die ursprünglich als Filmmusik geschrieben, dann jedoch zu Werken des traditionellen Konzertbetriebs verarbeitet wurde. Zu Kategorie 1 zählen Filme wie Hitchcock/Hermanns Vertigo, die Star Wars-Trilogie (John Williams), die Berg-Filme der dreißiger Jahre oder diverse Visconti-Filme, unter die Rubrik 2 sind beispielsweise Werke von Erich Wolfgang Korngold oder Ralph Vaughan Williams subsumierbar.

Dem Seminar geht es also um den direkten Kontakt zwischen Filmmusik und traditioneller oder moderner symphonischer Musik. Filme werden, im Rahmen des zeitlich Möglichen, vor Beginn der Veranstaltung gezeigt.

 

Literatur (Auswahl)

 

Heinle, Lothar: Vom Konzertsaal zur Soundstage. Wege zur symphonischen Filmmusik, Hrilbtronn: Stadtbücherei, 1995

Motte-Haber, Helga de la; Emons, Hans: Filmmusik. Eine systematische Beschreibung, München Wien: Carl Hanser Verlag, 1980

Siebert, Ulrich Eberhard: Filmmusik in Theorie und Praxis. Eine Untersuchung der 20er und frühen 30er Jahre anhand des Werkes von Hans Erdmann, Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang, 1990

Thiel, Wolfgang: Filmmusik in Geschichte und Gegenwart, Berlin: Hcnschelverlag Kunst und Gesellschaft, 1981

Vogelsang, Konrad: Filmmusik im Dritten Reich. Eine Dokumentation. 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Pfaffenweiler: Centaurus-Verlagsgesellschaft, 1993

 

 

Hyperlinks:

 

 

Terminologie der Filmmusik

[aus: Thiel, Wolfgang: Filmmusik in Geschichte und Gegenwart, Berlin, 1981; S. 429-438, Sachwörterverzeichnis]

 

A & R Abkürzung der Berufsbezeichnung "Artist and Repertoire Manager": in den USA der für eine bestimmte Schallplattenmarke (Label) zuständige Redakteur.

Abspannmusik s. Vorspannmusik.

Academy Award (engl. Akademischer Preis) s. Oscar.

Arrangement (frz. Anordnung) hier: Orchestration einer zunächst nur für Klavier geschriebenen Filmmusik.

Background-Musik (engl. Hintergrund) im Film: hintergründige, kaum wahrnehmbare Begleitmusik einer Sprechszene.

Cutter(in) Schnittmeister(in); der zumeist von Frauen ausgeübte Beruf des (Film-)Schnitts.

Dramaturgie allgemein Lehre vom Drama, Wissenschaft vom dramatisch wirkungsvollen Aufbau eines Theaterstückes oder eines Films.

dramaturgische Funktionen der Musik im Film bezeichnen Aufgaben, die die Musik zur Unterstützung der filmischen Fabelerzählung (Spannung, Lokalkolorit, emotionale Stützung usw.) zu erfüllen hat.

Einstellung die kleinste filmische Einheit, die ohne Unterbrechung aufgenommen wird.

Endfertigung die auf den eigentlichen Drehprozeß folgenden Arbeiten (Schnitt, Synchronisation, Musikaufnahme, Mischung).

Illustration bedeutete in der Zeit des Stummfilms allgemein die Zusammenstellung (Kompilation) einer Begleitmusik mit Hilfe der Kinothek. Sie bezeichnete weiterhin die konkret erklingende Musik während einer Filmvorführung. Im speziell funktionalen Sinne wird hierunter eine akustische Bebilderung des (äußeren) Leinwandgeschehens durch naturalistische Assoziationen, musikalische Symbole und Zitate verstanden (underscoring). Die Illustration als letztlich tautologische Form der musikalischen Bilduntermalung gipfelt in der "Mickey mousing"-Technik.

Inzidenzmusik ursprünglich Schauspielmusik auf und hinter der Szene. Im Film bezeichnet sie die "Musik im Bild" bzw. Musik der ersten auditiven Schicht.

Kinothek (griech.) etymologisch gebildet aus Kino-Bibliothek; ein alphabetisch geordneter Katalog bzw. Zettelkasten gängiger filmischer Situationen mit Angabe der hinsichtlich Charakter, Stimmung und Länge jeweils passenden Begleitmusik. Das Repertoire bestand aus Bruchstücken von Opern- und Operettenouvertüren, aus Teilen populärer sinfonischer Musik sowie aus Tänzen, Märschen, Salonstücken und z. T. auch aus speziellen Originalkompositionen.

Lichttonmusik ein echter Vorläufer der elektronischen Musik. Vor allem zu Anfang der dreißiger Jahre wurde dieses Verfahren der Klangerzeugung ohne Mithilfe von Musikern im Film angewandt. Direkt oder mit optischen Hilfsmitteln wurden grafische Zeichen auf die neben dem Filmbild befindliche Lichttonspur gezeichnet, die in der akustischen Wiedergabe über Lautsprecher unkonventionelle Klanggeräusche erzeugte.

mickey mousing bezeichnet im Hollywood-Jargon die auf Sekundenbruchteile exakt kalkulierte Synchronität zwischen Musik und Bild, die vor allem im Animationsfilm (historisch zuerst in Walt Disneys "Mickey mouse"-Filmen der frühen dreißiger Jahre) anzutreffen ist. Sie bezeichnet als Synchromanie eine übersteigerte Form pointierter Illustration.

Mischung Die während der Herstellung eines Films getrennt aufgenommenen Sprach-, Geräusch- und Musikbänder werden in der Endfertigungsphase auf ein Mischtonband übertragen, wobei der Anteil und das Mischungsverhältnis der einzelnen akustischen Komponenten endgültig festgelegt werden.

mood technique (engl. mood = Stimmung) eine dramaturgische Beiordnungsmethode von Musik zum Bild. Sie verdeutlicht im Gegensatz zur Illustration die psychischen Regungen und Reaktionen der Leinwandhelden.

Musik der ersten und der zweiten auditiven Schicht Bei der Rezeption von Tonfilmen sind zwei auditive Schichten zu unterscheiden. Zur ersten auditiven Schicht, die die Schallereignisse des reproduzierten oder Handlungsraumes umfaßt, gehören alle Dialoge, die meisten Geräusche und Musik, deren Quellen (Musiker oder mechanische Tonträger) Bestandteil der abgebildeten Situationen sind. Sprache, Geräusche und Musik in der zweiten auditiven Schicht treten gewissermaßen von außen als interpretierender Kommentar an die Filmhandlung. Synonyme Bezeichnungen für die Musik der ersten auditiven Schicht lauten Inzidenz- oder Realmusik.

Musikaufnahme Teil des filmischen Endfertigungsprozesses. In einem speziellen Musikatelier erfolgt die Aufnahme der vom Komponisten speziell für einen Film geschriebenen, kompilierten oder arrangierten Partitur durch ein Orchester oder variabelste Besetzungen unter Leitung eines spezialisierten Filmdirigenten oder des Komponisten (Ausnahmefall: improvisierte Filmmusiken durch Jazz- oder Rock-Forrnationen). Um wichtige Synchronpunkte zu erreichen, erfolgt die Musikaufnahme meist zum Bild der auf eine Leinwand projizierten Takes, seltener ohne Bild ("trocken").

Oscar Spitzname für den jährlich von der 1927 begründeten "Academy of Motion Pictures Atts and Sciences" vergebenen Preis (Academy Award) für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Regie, Darstellung und (seit 1934) auch der Musik.

Perforation (lat.) genormte Durchlöcherung des Filmbandrandes. Die Löcher der Film-Perforation dienen dem Transport des Films durch Greifer und Zähnrollen in Kamera, Kopiermaschine und Projektor.

Playback (engl. Rückspiel) eine häufig in Musikfilmen praktizierte Methode, bei der eine vorproduzierte Musik während der Bildaufnahmen für die agierenden Darsteller eingespielt wird.

pre-scoring/post-scoring (engl.) zwei konträre Verfahren zur Herstellung von Tontrickfilmen. Während beim pre-scoring-Verfahren die Bilder zu einem bereits produzierten Soundtrack gezeichnet werden, erfolgt beim post-scoring ähnlich wie beim Spielfilm die Musikaufnahme erst im nachhinein, zum zeichnerisch bereits fertigen Film.

Realmusik s. Musik der ersten auditiven Schicht.

Repolerofilm eine Abart des Animationsfilms, bei der durch Kamerabewegungen (Fahrten und Schwenks) unbewegliche Bilder (Zeichnungen, Fotos usw.) abgetastet und "belebt" werden.

Schnitt Aus der Masse des belichteten und entwickelten Filmmaterials werden die geeigneten Sequenzen und Einstellungen vom Regisseur ausgewählt und von der Cutterin unter Wegfall von unwesentlichen Bildfeldern auf eine bestimmte Länge (Metrage) gebracht.

Sequenz im Film: eine Reihe von Filmeinstellungen mit einheitlicher Handlung.

Soundtrack (engl. Tonspur) Tonstreifen, auditive Schicht; auf Schallplatte veröffentlichte Original-Film- oder Fernsehmusik.

Synchronisation (griech.) zeitgleiches Komplettieren eines Bildstreifens mit Sprache, Geräusch und Musik; Übersetzung anderssprachiger Filme in die Sprache des Vorführungsgebietes im gleichen (lippensynchronen) Zeitmaß.

Take (engl. to take = nehmen) kurzer Filmabschnitt für die Synchronisation bzw. Musikaufnahme.

underscoring (engl. unterstreichend) s. llustration.

Vorspannmusik Musik, die zum ersten Abschnitt, den Titel- und Namensangaben eines Films erklingt; entspricht funktionell einer Ouvertüre. Gegensatz: Abspannmusik (insbcs. beim Fernsehfilm, neuerdings auch bei Kinofilmen gebräuchlich).

 

Filmvorführungen - Daten, Dauer

Die weiße Hölle vom Piz Palü

Deutschland, 1935
Musik: Giuseppe Becce
Regie: Arnold Fanck
Dauer: 86 min.

Vertigo

USA, 1958
Musik: Bernard Herrmann - (Wagner, Tristan)
Regie: Alfred Hitchcock
Dauer: 120 min.

Ludwig II

Deutschland, 1955
Musik: Richard Wagner
Regie: Helmut Käutner
Dauer: 110 min.

Tod in Venedig

Italien, 1971
Musik: Gustav Mahler
Regie: Luchino Visconti
Dauer: 130 min.

Alexander Newski

Sowjetunion, 1938
Musik: Sergej Prokofjew
Regie: Sergej Eisenstein
Dauer: 110 min.

Der Große Diktator

USA, 1940
Musik: Richard Wagner, Johannes Brahms
Regie: Charles Chaplin
Dauer: 120 min.

Deception - Trügerische Leidenschaft

USA, 1946
Musik: Erich Wolfgang Korngold
Regie: Irving Rapper
Dauer: 100 min.

Scott of the antarctic

England, 1948
Musik: Ralph Vaughan Williams
Regie:
Dauer: 105 min.

Star Wars

USA, 1977
Musik: John Williams
Regie: Geroge Lucas
Dauer: c. 120 min.

Close encounters of the Third Kind

USA, 1977
Musik: John Williams
Regie: Steven Spielberg
Dauer: c. 120 min.

Die phantastische Reise

USA, 1966
Musik: Leonard Rosenman
Regie: Richard Fleischer
Dauer: 95 min.

 


 


Dokument wird laufend aktualisiert

Wolfgang Krebs